Friedensnobelpreis 1981: Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge

Friedensnobelpreis 1981: Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge
Friedensnobelpreis 1981: Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge
 
Rund 30 Jahre nach der ersten Preisverleihung wurde die UN-Organisation zum Schutz der Flüchtlinge für ihre weltweiten Hilfsaktionen ein zweites Mal mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
 
 
Office of the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), New York 14. 12. 1950 Gründung als Spezialorgan der UNO, 1. 1. 1951 Arbeitsaufnahme, 1954 Friedensnobelpreis, 1955 Stiftung der Nansen-Medaille, 1967 Erweiterung der Genfer Flüchtlingskonvention durch das Protokoll über den Rechtsstatus von Flüchtlingen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Der griechische Tragiker Euripides sagte: »Es gibt auf der Erde kein größeres Leid, als seine Heimat zu verlieren.« Viele Ursachen zwingen die Menschen dazu, das Land, in dem sie geboren und aufgewachsen sind, zu verlassen: Kriege, Naturkatastrophen, die Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, gesellschaftlichen Gruppe, Religion oder wegen der politischen Meinung.
 
Große Flüchtlingsströme gab es schon vor Jahrtausenden und sie sind in der gesamten Geschichte der Menschheit nie abgerissen. Statistisch gesehen hat sich das Risiko, zum Flüchtling zu werden, im Lauf der Zeit noch vergrößert: Nach den Berechnungen der UN-Organisation, die sich seit mehr als 50 Jahren neben vielen anderen nationalen und internationalen, staatlichen und privaten Hilfswerken für politische Flüchtlinge, Vertriebene, Deportierte, Emigranten und die verschiedenen anderen Flüchtlingsgruppen einsetzt, ist heute etwa jeder 270. Mensch auf der Erde von diesem Schicksal betroffen.
 
Meist waren die Flüchtlinge in den Ländern, in denen sie Zuflucht suchten, unwillkommen, Hilfe kam nur selten und im Allgemeinen nicht uneigennützig. Internationale Hilfsorganisationen entstanden erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in erster Linie die »Nansenhilfe« des Norwegers Fridtjof Nansen (Nobelpreis 1922), der 1921 vom Völkerbund zum Hohen Kommissar für Flüchtlingsfragen ernannt wurde. Aus dieser Institution hat sich in mehreren Etappen, vom Internationalen Nansenamt für Flüchtlinge (Nobelpreis 1938) über die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) und die International Refugee Organization (IRO), schließlich das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge entwickelt, das 1954 für seine humanitäre Arbeit in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.
 
 Unerfüllte Hoffnungen
 
Als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1950 die Einrichtung des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge beschloss, waren die meisten Abgeordneten davon überzeugt, dass mithilfe des UNHCR das Flüchtlingsproblem in wenigen Jahren gelöst werden könnte. Diese optimistischen Erwartungen konnten innerhalb der zunächst als Mandatszeit vorgeschlagenen drei Jahre nicht erfüllt werden. Zwar leistete die Organisation bis Ende 1954 eine beachtliche Arbeit, im Rückblick betrachtet stand die eigentliche Arbeit jedoch erst bevor, was sich unter anderem im Budget des UNHCR widerspiegelt, das von jährlichen wenigen Millionen US-Dollar auf inzwischen über eine Milliarde angewachsen ist. Seither hat sich das Hilfswerk zu einem der bedeutendsten der Welt entwickelt, unterhält außer seinem Hauptbüro in Genf Zweigstellen in über 120 Ländern und hat mehr als 5000 hauptamtlich Beschäftigte, davon vier Fünftel vor Ort in den Einsatzgebieten.
 
Die Aufgabenfelder des UNHCR haben sich seit seiner Entstehung aus drei Gründen wesentlich ausgeweitet: Erstens wird der Begriff »Flüchtling« heute weiter gefasst; zweitens beschränkt sich die Organisation nicht mehr auf die humanitäre Betreuung in Flüchtlingslagern, sondern verstärkt auch ihre Bemühungen um die Rückführung und Wiederansiedlung der Betroffenen in ihren Heimatländern; drittens hat sich das Flüchtlingsproblem durch die zahlreichen Kriege in den Ländern der Dritten Welt erheblich verschärft.
 
War das Genfer Flüchtlingsabkommen vom Juli 1951 lediglich auf die »internationalen, politischen« Flüchtlinge zugeschnitten, die politisches Asyl in einem anderen Land suchen, so werden jetzt unter anderem auch »nationale Flüchtlinge«, die keine Staatsgrenzen überschritten haben, »Umweltflüchtlinge«, die aufgrund von Umweltzerstörungen ihre Heimat verlassen müssen, und »Wirtschaftsflüchtlinge« aus Notstandsgebieten betreut. Im Zeitraum zwischen 1954 und 1981 hat das UNHCR für diese Gruppen zahlreiche Hilfsaktionen durchgeführt: etwa 1957 und 1962 bei der Massenflucht von Chinesen aus der Volksrepublik in die damalige britische Kronkolonie Hongkong, ungefähr zur gleichen Zeit in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und anderen Organisationen (mit denen das UN-Hilfswerk traditionell kooperiert) in Nordafrika, Ende der 1960er-Jahre für die Flüchtlinge aus dem von China besetzten Tibet, nach dem Ende des Vietnamkriegs, als hunderttausende der »Boat People« Asyl in anderen asiatischen Ländern suchten, und dann ab Dezember 1979 nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan, der eine der größten Flüchtlingswellen in der Geschichte des UNHCR auslöste.
 
 Nothilfe für Millionen
 
An Zahl und Umfang der Hilfsaktionen gemessen, die seit 1981 vom UNHCR durchgeführt wurden, hätte die Organisation durchaus einen dritten Friedensnobelpreis verdient: in Ruanda und Burundi, in Somalia, Sri Lanka und Sierra Leone, Myanmar und Mosambik, im Iran und Irak, im Kaukasus und nicht zuletzt auf der Balkanhalbinsel und in den schon seit Jahrzehnten bestehenden Flüchtlingslagern der Palästinenser waren Mitarbeiter tätig, bemühten sich um die Integration der Betroffenen in die Zufluchtsstaaten oder die Emigration in aufnahmebereite Länder, wenn schon die Rückführung in die Heimatländer nicht möglich war. Die Gesamtzahl der Flüchtlinge wird am Beginn des 21. Jahrhunderts auf etwa 23 Millionen geschätzt — eine zurückhaltende Schätzung, die durchaus einschließlich der »Binnenflüchtlinge« doppelt so hoch sein könnte. Viele leben bereits seit Jahren und Jahrzehnten in Flüchtlingslagern, ohne die Aussicht, außerhalb der Camps wieder eine dauerhafte Heimat zu finden. Verstärkt widmet sich das UNHCR deshalb den Programmen zur Wiederansiedlung und Wiedereingliederung von Flüchtlingen.
 
Das Problemfeld »Flüchtlinge und Umwelt« bildet einen anderen Schwerpunkt. Zwangsläufig stellen Flüchtlingslager, in denen mitunter hunderttausende Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen, eine Belastung für das natürliche und soziale Umfeld dar. Im Umkreis der ostafrikanischen Camps klagen Naturschützer beispielsweise über die zunehmende Wilderei, selbst vom Aussterben bedrohte Menschenaffenarten enden in den Kochtöpfen ausgehungerter Flüchtlinge. Überall in den Flüchtlingsgebieten der Welt holzen Flüchtlinge die Wälder ab, um Brennholz zu gewinnen, beuten die Wasserreserven aus, verwandeln ganze Landstriche in Wüsten und vernichten gewachsene Kulturen.
 
P. Göbel

Universal-Lexikon. 2012.

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